Seit 2012 betreibe ich die Facebook-Seite „Shitstorm Schnüffler“. Am schönsten ist es, dass man nicht nur postet, sondern auch andere Shitstorm-Begeisterte kennenlernt, wie zum Beispiel Robert Schwerdtner.
Robert hat bei der Deutschen Telekom beruflich mit Shitstorms zu tun und folgt dem Shitstorm Schnüffler. Im letzten Sommer bekam ich von ihm eine Einladung nach Bonn, und durfte mir das Konzernlagezentrum der Telekom anschauen. In Verbindung mit dem Fall Drosselkom ist Robert ein besonders interessanter Interviewpartner, denn er arbeitet im „Cyber Defence and Situation Management“ der Deutschen Telekom AG. Spezialisiert ist er auf das Thema Social Media Krisen sowie Social Media Monitoring.
Ich wollte wissen, wie das Krisen-Team der Deutschen Telekom arbeitet, wie es war als der Drosselkom-Shitstorm vom Himmel brach und was man daraus gelernt hat. Dabei herausgekommen ist das folgende Interview.
Robert, als wir zum ersten Mal über den Drosselkom-Shitstorm sprachen, hast Du Willa Cather zitiert: „Manche Dinge lernt man am besten in der Stille, manche im Sturm.“ Was hat die Deutsche Telekom aus dem Vorfall gelernt?
Mit diesem Zitat starte ich in der Regel meine Vorträge zum Thema Social Media Krisenmanagement. Für mich steht es für die Lehren, die wir aus der sehr breitenwirksamen medialen Schelte ziehen mussten. Grundsätzlich ist es allerdings schwer, sich auf solche Vorfälle im Detail vorzubereiten, da jeder Vorfall anders ist. Konkret konnten wir verbessern, wie die Telekom im Sturm reagiert, wie wir den Überblick behalten und uns intern koordinieren.
Telekom-intern wird das Wort Shitstorm nicht benutzt. Der Fall Drosselkom wird auch nicht als Krise bezeichnet. Wieso?
Das Wort Shitstorm benutzen wir schon, da es eine sehr einprägsame, sowie im deutschen Sprachraum gängige Bezeichnung für eine angespannte Onlinelage ist. Nichts destotrotz ist nicht jeder negative Tweet oder Post gleich ein Shitstorm und nicht jeder Shitstorm endet an den Grenzen der digitalen Medien. So verwenden wir intern die Begrifflichkeiten Social Media Incident, Notfälle oder Krisen, je nachdem wie die Situation aussieht.
Du arbeitest im Group Situation Center (GSC) der Deutschen Telekom. Was sind dessen Aufgaben und wie erfüllt Euer Team diese?
Das Group Situation Center ist die „intelligente Alarmanlage“ der Telekom. Es ist in der Unternehmenssicherheit und dort in der Abteilung „Cyber Defense and Situation Management“ angesiedelt. Wir sind Ansprechpartner und Schaltstelle für den Konzern bei Fragen der Lage sowie Reisesicherheit. Im Social Media Bereich übernehmen wir die Koordination der einzelnen Abteilungen sowie die Dokumentation und Moderation, wenn ein bestimmtes Eskalationslevel überschritten wurde.
Ist das Group Situation Center eine Art „Social Media Command Center“ oder ein „Social Media War Room“, wie man es im digitalen Zusammenhang nennt? In solchen Einrichtungen betreibt ein Experten-Team Social Media Listening, entwickelt Reaktions-Strategien und mildert negative Publicity durch aktives Posten.
Wir haben diese Bezeichnung des „Social Media War Room“ nicht. Wir führen keinen Krieg. Wir betreiben jedoch sehr wohl ein Monitoring bzw. Listening des Social Web sowie auch des klassischen Web, sofern da heutzutage noch eine trennscharfe Definition möglich ist. Wir folgen nur öffentlich zugänglichen Informationen, welche sicherheitskritisch für die Telekom und ihre Tochtergesellschaften sind.
Welche Arten von Notfällen und Krisen unterscheidet die Deutsche Telekom? Was ist für Euch eine Krise, und was nicht?
Wir nutzen allgemeingültige Unterscheidungen zwischen Notfällen und Krisen. Krisen sind existenzielle Bedrohungen von denen mehrere Bereiche des Unternehmens gleichzeitig betroffen sind. Notfälle konzentrieren sich auf nur einen Unternehmensbereich und die Reaktionen sind mit Notfallplänen zum Teil bereits vorbereitet.
Welche Art von Prävention betreibt die Deutsche Telekom AG gegen Krisen im Allgemeinen?
Es gibt unzählige Möglichkeiten sich auf solche Situationen vorzubereiten. Wir setzen auf von uns entwickelte Prozesse und Konzepte, interne sowie externe Netzwerke sowie auf Trainings. Beispielsweise beinhalten diese Trainings theoretische Bestandteile zu Krisenabläufen und auch praktische Übungen.
Wie werden Risiken im Social Media Bereich rechtzeitig erkannt und gegebenenfalls abgewendet?
Risikobetrachtungen haben in einer Aktiengesellschaft einen hohen Stellenwert. Wir versuchen hier einen wertsteigernden Beitrag zu leisten. Die Services, die wir als sogenannte kritische Infrastruktur der Bevölkerung zur Verfügung stellen, müssen per Gesetz verfügbar sein. Um Risiken unter Kontrolle zu halten, betreiben wir für unsere Fachbereiche ein präventives Monitoring, das etwaige Probleme frühzeitig erkennt. Eine rechtzeitige und umfassende Information an die richtigen Stellen dient dann dazu, diese „Gefahren“ zu meiden. Unter anderem betrachten wir Risiken in unseren Lieferketten, aber beispielsweise auch geplante Streiks.
Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei und wie begegnet Ihr ihnen?
Bei einem weltweit agierenden Konzern ist ein internationales Monitoring eine große Herausforderung. Dies kann nur funktionieren, wenn bei uns alle an einem Strang ziehen, von den Fachabteilungen über die Betriebsräte bis hin zu uns.
Neben klassischen Diensten wie Hootsuite, Mention oder Vico verwendet die Deutsche Telekom zum Social Media Monitoring als besondere Lösung auch den konzerneigenen „Cyber Threat Radar“. Was genau kann dieses Tool?
Das „Cyber Threat Radar“ sucht in den öffentlich zugänglichen Twittermeldungen und RSS-Feeds nach Anzeichen auf Cyberangriffe und bietet einen sehr guten und schnellen Blick auf die Gesamtlage. Diese ergibt sich primär aus den konfigurierten Suchbegriffen. Der Radar wurde von unserem Cyber Defense Center in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer FKIE Institut entwickelt, um Cyberattacken frühzeitig zu erkennen. Zudem nutzen wir es auch mit dem Fokus auf andere Sicherheitsrisiken, wie Demonstrationen oder Kampfmittelräumungen, welche unsere Netze beschädigen können.
Was ist die Aufgabe des Group Situation Centers, wenn ein Notfall oder eine Krise dennoch eintritt?
Sollte eine Lage eintreten, in der wir agieren müssen, so richten wir mit dem Notfall – und Krisenmanagement eine Taskforce bzw. einen Krisenstab ein. Dieser wird durch Lageinformationen des Lagezentrums in der Entscheidung unterstützt. Ebenso geben wir die getroffenen Entscheidungen an die ausführenden Bereiche weiter.
Was ist besonders am Monitoring in Krisenzeiten verglichen zu dem in krisenlosen Zeiten? Ist es schwieriger als im Normalfall?
Das Monitoring in Krisenzeiten ist etwas eindeutiger, da wir ja genau wissen wonach wir suchen müssen.
Welche Strategien hält die Deutsche Telekom bereit, um Krisen zu überwinden?
Wir fahren hier eine klassische Strategie, die mit der Integration einer Lagestelle, Einberufen eines Krisenstabes oder die Aktivierung von festgelegten Prozessen, umgesetzt wird. Unser Krisenstab sieht die Beteiligung bestimmter Bereiche, beispielsweise Unternehmenskommunikation oder Kundenschnittstelle, zwingend vor. Darüber hinaus haben wir eine Abteilung für Business Continuity Management (BCM) und andere Notfallmanagement Bereiche.
Wie werden Krisen nachbereitet? Was wurde im konkreten Fall der Drosselkom getan, um aus den Vorfällen zu lernen?
Der „Drosselkom“ Vorfall war für die Telekom keine Krise. Sehr wohl aber eine Situation, in der wir die oben beschriebenen Methoden genutzt haben, um der Situation „Herr“ zu werden. Wir lernen aus jeder Situation mit einem intensiven, offenen und selbstkritischen Rückblick. Wir haben erkannt, dass ein intensiver Austausch aller beteiligten Stellen besonders wichtig ist. Seinen Ansprechpartner zu kennen, ist auch in der Welt der digitalen Kommunikation vorteilhaft. Das bedeutet, wir haben unsere Prozesse optimiert, einen internen Austausch gefördert und die Lageberichterstattung geschärft.
Welche Weiterentwicklungen stehen für die Zukunft auf dem Plan des Group Situation Centers?
Wir wollen besser werden, um ernsten Situation besser zu begegnen. Wir lernen aus jeder Situation im Rahmen eines Lessons Learned. Strategisch in die Zukunft geschaut behalten wir die Entwicklung der Sozialen Netzwerke im Auge, sowie die auf dem Markt verfügbaren Monitoring Systeme. Da die Sozialen Medien in der Gesellschaft immer relevanter werden, gewinnen diese Medien auch für Unternehmen an Relevanz. Um diesen Entwicklungen gewachsen zu sein, benötigen wir auch entsprechend fähiges Personal.
Wer Robert Schwerdtner in Aktion erleben möchte, kann dies zum Beispiel am 24.02.2015 bei der Social Media Week in Hamburg tun. Dort gibt Robert einen Workshop zum Thema „Nextlevel Communication and Crisis Management @Telekom“.