Burger Kings offene Reaktion auf die „Team Wallraff“-Reportage bei RTL und den darauf folgenden Shitstorm hat Maßstäbe in der deutschen Krisen-PR-Praxis gesetzt. Andreas Bork, Geschäftsführer von Burger King Deutschland, hat sich persönlich über klassische und soziale Medien an die breite Öffentlichkeit gewandt. Um das Vertrauen seiner Kunden zurück zu gewinnen, hat er sich den offenen Fragen der Community gestellt, im Namen von Burger King entschuldigt und ein umfangreiches Maßnahmen-Paket angekündigt.
Die Nähe, die der Deutschland-Chef von Burger King mit der Öffentlichkeit auf Facebook und im Fernsehen sucht, finde ich bemerkenswert. Auch die schonungslose Herangehensweise an die aufgeworfenen Probleme fällt sehr positiv auf. Dennoch kamen mir einige Fragen in den Kopf:
- Wie viel Futter steckt wirklich in der Hülle der Krisenkommunikation? Wie authentisch ist sie?
- Andreas Bork tritt als ein Mensch wie Du und ich an die Öffentlichkeit. Ist er tatsächlich so nahbar?
- Was macht ein Shitstorm emotional mit dem Geschäftsführer und den Mitarbeitern des angegriffenen Unternehmens? Wie geht man damit um?
- Wie kam die gute Krisen-PR von Burger King Deutschland zustande? War es Zufall oder ein Ergebnis grundsolider Vorbereitung?
Da ein solch offenes Shitstorm-Management sehr selten ist, dachte ich mir ich nutze die Möglichkeit für ein interessantes Interview. Ich wollte Burger King Deutschland auf die Probe stellen, und habe einige knackige Fragen direkt an Andreas Bork geschickt. Er hat geantwortet. Das Ergebnis ist ein tolles Interview wie ich finde. Doch lest selbst.
Lieber Herr Bork, wie haben Sie von den Vorwürfen in der Wallraff- Dokumentation zur YiKo-Holding erfahren?
Wir haben erst mit der Ausstrahlung der Reportage erfahren, dass Recherchen stattgefunden haben. So zählt es zum Konzept des Formats, dass erst kurz vor der Veröffentlichung bekanntgegeben wird, welches Unternehmen im Fokus der Recherchen stand.
Was war die erste Emotion, die Sie gespürt haben? Wie haben Sie nach den Vorwürfen reagiert?
Ehrlich gesagt, war ich sehr wütend, da durch die Reportage die meisten unserer Restaurants und vor allem deren Mitarbeiter, die jeden Tag alles für die Gäste geben, zu Unrecht schlecht dargestellt wurden. Aber dieses Gefühl wurde direkt davon abgelöst, sofort handeln zu müssen, um das Vertrauen unserer Gäste wieder zurückzugewinnen. Deswegen haben wir auch sofort alle relevanten Ressourcen aktiviert!
Die Dokumentation wurde im Fernsehen und damit in den klassischen Medien gesendet. Wie schnell kam Ihnen die Möglichkeit in den Kopf, dass der Bericht einen Shitstorm zur Folge haben könnte?
Sehr schnell, denn Social Media lebt vom Dialog und dem offenen Austausch aller User. So ermöglichen uns die sozialen Netzwerke die direkte Kommunikation mit Gästen und Fans und sind daher eine wichtige Interaktions-Plattform. Dies hat sich auch in diesem Fall gezeigt. Schon während der Ausstrahlung hat die Community den Bericht auf unserer Facebook Fanpage kommentiert.
Der öffentlich sichtbare Teil eines Shitstorms findet auf den Social Media Kanälen eines Unternehmens statt. Welche Mitarbeiter sind neben den Social Media Managern mit Anfeindungen und negativem Feedback konfrontiert worden?
Wir haben in den sozialen Medien schon ordentlich einstecken müssen – es gab sehr viele sehr kritische Stimmen, vor allem anfangs. In dieser Phase gab es auch Kommentare zu Burger King Mitarbeitern oder Vertretern, die öffentlich bekannt sind. Die Stimmung hat sich jetzt aber gedreht. Wir bekommen wieder deutlich positive Reaktionen, gerade auf die Art und Weise, wie wir mit der Krise umgegangen sind.
Zusammengefasst: Welche Bereiche eines Unternehmens betrifft ein Shitstorm?
In unserem Fall hat es die ganze Marke Burger King und damit auch das gesamte Unternehmen betroffen.
Was macht solch ein Shitstorm voller negativer Kommentare mit den Mitarbeitern? Wie kann man seine Mitarbeiter im Shitstorm unterstützen? Wie ist dies bei Burger King Deutschland geschehen?
Generell gilt es in solchen Situationen, trotz der sehr emotionalen Kommentare und Aussagen noch die nötige Objektivität zu der Kritik zu bewahren. Wir können sehr gut nachvollziehen, dass unsere Fans und Gäste, die für die Marke einstehen, bei einer solchen Reportage sehr emotional reagieren und dies auch via Facebook mit uns teilen möchten. Diesem Grundsatz ist auch unser Krisenteam gefolgt, um die Krisenkommunikationsstrategie zu entwickeln und umzusetzen.
Wie gut waren Sie vor dem Shitstorm auf Social Media Krisen vorbereitet? Gab es einen Krisenplan? Wenn ja, was beinhaltete dieser Plan? Waren Gremien, Prozesse und Verantwortlichkeiten für den Ernstfall schon vorher festgelegt? Gab es Extra-Kapazitäten an Social Media Managern, die die Masse von Kommentaren bearbeitet haben?
Wir haben im Unternehmen weltweit klare Regeln für Krisenmanagement. In so einem Fall geht es darum, mit der Situation so professionell wie möglich umzugehen, schnelle Entscheidungen zu treffen und Verbesserungen herbeizuführen. Hierfür sind Prozesse definiert, die Abläufe, Planungen, Verantwortlichkeiten definieren. Eine Standard-Lösung mit vorbereiteten Maßnahmen lag hier jedoch nicht vor, da die Krisenkommunikationsstrategie entsprechend dieser außergewöhnlichen Situation erst entwickelt und dann umgesetzt wurde.
Warum haben Sie die Maßnahmen, die Sie als Reaktion hervorbringen, genau so gewählt wie sie jetzt fest stehen?
Der Schritt, sich offensiv mit den Vorwürfen auseinander zu setzen, war und ist für uns der richtige Weg. Und wir haben in den letzten Wochen wirklich viel bewegt – hierüber haben wir kontinuierlich informiert, ob via Facebook, Pressestatements oder Interviews in den größten deutschen Tageszeitungen. Auf das Interview mit RTL und den TV-Spot haben wir unglaublich viele positive Reaktionen erhalten. Natürlich kann man das nicht planen, aber wir waren davon überzeugt, das Richtige zu tun. Und als der Chef von Burger King Deutschland ist es für mich selbstverständlich, in solchen Momenten auch persönlich präsent zu sein; wenn nicht jetzt, wann dann?
Burger King geht bemerkenswert offen mit den Vorwürfen um und kündigt umfangreiche Änderungen im Konzern an. Damit geht man sehr kooperativ mit den Vorwürfen aus der Community und der RTL-Dokumentation um. Was erhoffen Sie sich von dem offenen Umgang mit dem Shitstorm?
Alles dreht sich darum, das Vertrauen der Gäste und Fans weiter zurückzugewinnen – für Burger King als Marke, für unsere fast 700 Restaurants und unsere 25.000 Mitarbeiter. Sie sind es schließlich, die jeden Tag hart für den Erfolg des gesamten Unternehmens arbeiten.
Hat Burger King Deutschland bereits erste Effekte festgestellt, die den Erfolg ihrer Strategie belegen?
Wir erhalten für unser schnelles Handeln und das Vorantreiben der Maßnahmen positives Feedback von unseren Gästen und sehen auch schon eine deutliche Verbesserung des Umsatzes. Aber wir arbeiten weiter mit Hochdruck an der Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen. Es hat für uns oberste Priorität, das Vertrauen unserer Gäste weiter zurückzugewinnen.
Besonders selten und ebenso lobenswert ist die Maßnahme, eine Art Verbraucherbeirat einzuführen. Damit folgen Sie in Teilen der Vision der „Radically Public Company” nach Jeff Jarvis. Welche konkreten Aufgaben soll dieser Gästebeirat bei Burger King übernehmen, und wie wird Burger King Ihrer Meinung nach in Zukunft davon profitieren?
Mit dem Gästebeirat möchten wir unseren Gästen die Möglichkeit geben, exklusive Einblicke in unsere tägliche Arbeit zu bekommen. Dabei geht es uns um den ehrlichen Austausch mit den Mitgliedern und die Diskussion von aktuellen Themen oder anstehenden Aktivitäten. Insgesamt werden 16 Mitglieder, also ein Vertreter pro Bundesland, in den Gästebeirat gewählt, der bereits Anfang Juli zum ersten Mal tagen wird.
Es gibt Studien die besagen, dass Shitstorms ein vernachlässigbares Web2.0-Phänomen sind. Was ist ihre Expertenmeinung dazu? Andere Studien betonen, dass Unternehmen, die sich Feedback der Gesellschaft und somit auch Shitstorms der Online-Community zu Herzen nehmen, erfolgreicher sind. Was denken Sie dazu?
Wie schon gesagt, sind für uns die sozialen Netzwerke eine wichtige Interaktions- Plattform, da wir uns direkt mit Gästen und Fans austauschen können – das zählt in guten wie in kritischen Zeiten. Deswegen stand für uns außer Frage, dass wir auch transparent und offen die Krisensituation in den sozialen Netzwerken behandeln. Und wir bekommen wieder deutlich positive Reaktionen, gerade auf die Art und Wiese, wie wir mit der Krise umgegangen sind. Die Community glaubt uns, dass wir die Veränderungen aktiv angehen. Schließlich haben wir die Kritik ernst genommen und gehandelt.
Ein Beispiel für diese Kommunikation ist unsere „Burgersprechstunde“ auf unserer Facebook-Fanpage. Hier habe ich mich für mehr als zwei Stunden allen Fragen der Community gestellt und diese direkt mit personalisierten Videobotschaften beantwortet. Das war sicherlich eine ungewöhnliche Idee, gleichzeitig aber eine sehr gute Möglichkeit, in den Dialog zu gehen und direkt darauf einzugehen, was unsere Gäste und Fans bewegt. Eine Premiere und wirklich tolle Erfahrung.
Vom Unternehmensvorteil einmal abgesehen: Sind Shitstorms Ihrer Meinung nach eine Art gesellschaftliches Korrektiv, das Unternehmen von Fehlentwicklungen befreien kann? Gibt es neben den negativen auch positive Effekte, die Sie dem Phänomen Shitstorm abgewinnen können? Was lernen Sie als Mensch und Burger King als Unternehmen aus den Vorkommnissen des Shitstorms?
Die rasante Entwicklung der sozialen Netzwerke zeigt den zunehmenden Wunsch der Verbraucher nach Austausch und Kommunikation – untereinander, mit Medien, aber auch mit Unternehmen. Dies kann sich in positiven wie negativen Beiträgen, die in Shitstorms resultieren, äußern. Wie bei vielen Sachen gibt es auch bei Shitstorms zwei Seiten der Medaille – bei berechtigter Kritik kann die offensive und starke Kommunikation durch User in Form eines Shitstorms sicherlich einiges beschleunigen und auch einen notwendigen internen Wandel im Unternehmen herbeiführen. Auf der anderen Seite können ungerechtfertigte Angriffe aber auch bei kleinen Marken oder Stakeholdern des Unternehmens dazu führen, dass diese grundlos Einbußen erfahren.
Für uns ist jedoch das allerwichtigste Learning, dass unsere Marke unser allerhöchstes Gut ist. Das wussten wir natürlich schon vorher, aber man realisiert es in so einer Situation besonders. Wir haben gesehen, dass wir stärker verwundbar sind als gedacht. Die Situation gibt uns aber definitiv auch den Ansporn, die Marke langfristig noch besser aufzustellen.
Update vom 19.11.2014: Burger King schließt nach wiederholten Verstößen gegen den vereinbarten Maßnahmenplan alle Restaurants der Yi-Ko Holding.
Alle Infos hierzu und Burger Kings Reaktion auf den Shitstorm gibt es in meinem Blogpost dazu und in der heutigen Pressemitteilung von Burger King.
2 thoughts on “Lieber objektiv als wütend – Burger King Chef Andreas Bork im Interview”
Kommentare sind geschlossen.